POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2007 UND FRÜHER

Frank Klötgen: Frühling lässt sein blaues Band ... (Mörike reloaded)

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte (Mörike reloaded)

Knospen knistern, Knaben knuspern
Am Backfischgeschwärme vom letzten Jahr.
Flügel flüstern, Winde wispern:
Er ist’s! Er ist’s – wie wunderbar!
Frühling lässt nun Staub erblüh’n,
Leiber im Hormonstau glüh’n,
Ditt kleenste Fleuchzeuch Wachstum wittern,
Den tumbsten, dumpfsten Stumpf erzittern.
Frühling, Du bist’s! Wir haben Dich vernommen!
Bienvenue, welcome und herzlich willkommen!
Hi, Du Hallodri! Hallo, Du Hai, Du Witzka, Du Kapitän, Du Sudokupfiffikus,
Du Racker!
Tauchst in Tau und Birkengrün
Verdörrtes Land und fingerst kühn
Dem winterhart gestockten Boden
Am keimbereiten Sämlingshoden.
Da wölbt sich Mother Natures Bauch
Im erdigwarmen Frühlingshauch,
Da girrt und gurrt es, summt und surrt es,
sirrt und schwirrt es – ja, nun wird es
Frühling! Wieder wehen traulich
Deine Flatterbänder blau sich.
Erde weicht sich, Kälte schleicht sich
Und das Maienglöckchen zeigt sich.
Mörike, Dich hör’ ick trapsen!
Nachtigallen, Amseln, Spappsen!
Holder Dolden Blütenpracht –
's hat er wieder schön gemacht!

Und in all dem Blüh’n, da:
Welkst nur Du.
Schaust Dir selbst beim Altern zu,
Ahnst beim Anblick erster Falten:
Da is’ nix mehr aufzuhalten!
Dieser Bauch wird niemals Brett mehr,
Deine Haarpracht nicht komplett, sehr
Schade ist das, keine Frage –
Doch Du hattest Deine Tage!
Schlitterst nun mit letzter Klarheit
Von der Ist-Zeit in die War-Heit.
Ziehst und zerrst an Körperstellen,
Wo sich nun die Dellen wellen,
Denkst zurück an letztes Jahr,
Da das auch nicht anders war.
Doch dachtest Du:
Na, das lässt sich richten!
Mit irgendwas, mit ... Ja, mitnichten.

Blaukraut bleibt Blaukraut
Und White Stripes bleibt White Stripes –
Nur ich soll ergrau’n, wenn sich alles in Grün zeigt?
Mein lieber Lenz, Du, leck mich doch!
Wie lange war ich Dein Verfechter,
In Deinem Sinne Worteschlächter?
Nun frag ich mich: Kennst Du mich noch?
Wer wärst Du ohne Lyrikstütze
Und wem Dein Grün und Blüh’n zunütze?
Wir haben Dir Anmut angedichtet,
Manch Abart Dir per Vers gerichtet,
Das Beste aus Dir rausgefischt,
Dem Volk romantisch aufgetischt:
Dich, den Dichter-D’Artagnan! Du
Duselduttending der Dichtung,
Du dankst Dein Renommee den Dichtern,
Die Dich doch erst einst etablierten
Als zum Star empor geschriebenen
Refrain im Chor der Liebenden!

Dich, den gernegroßen, sambereiten
Vollprolet der Jahreszeiten!
Wärst ohne unsern Wahlbetrug
Nur Nieselreg'n und Pollenflug.
Ein Pickeljungspund, chronisch willig,
In allem absehbar und billig!
Du tauchst die Welt in Schwalbenkot,
Bringst Heuverschnupften Atemnot
Und Cortison keult rudelweise
Die Opfer Deiner Wucherpreise!

Nun ziehst Du wieder durch die Länder
Mit triebverpeiltem Dauerständer
und prahlst, dass es halt Dein Problem bleibt,
Wer sich das Glied heut wo in wem reibt.
Du pfeifst auf Deine alten Texter,
Grölst nur gen Nachwuchs „Wer ist Nächster?“
und wendest sich dem Frischfleisch zu.

Mein lieber Frühling, meinst denn Du,
Ein Glanz von Glorie ließ sich preisen
Per Klingelton und MP3s? En-
Coden willst Du unsre Worte
Und komprimier’n zur Schnellschusstorte?

Okay, dann geh! Du kannst da bleiben –
Ich werd’ mich nun dem Herbst verschreiben!
Nenn’ Frühlingsverse ein Verseh’n,
Streb’ fortan nur noch nach Vergeh’n!
Werd’ Laub zu Lab und Lob verdichten,
Im Modern das Moderne sichten,
Dass jeder dem Verfall verfalle –
Nie vor November sich verknalle!
Wenn waldigfaulen Pheronömen
Die Boys and Girls entgegenströmen.
Aus dichten Quellen weiß man ja,
Der neue Jahreszeitenstar
Er ist’s! Er ist’s – wie wunderbar:
Der Herbst. Mach Dir ’n Reim drauf klar!

Denn Versmaß rules! Und wird noch regeln
Mit eingewachs’nen Zehennägeln,
Um runzligpunzlig anzuschau’n,
Den Herbst als Erbprinz aufzubau’n!
Und ohne Abers, ohne Wenns
Mach ich mir dann den wahren ...

- drittes Gedicht/Aufnahme 2007 und früher



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