POETRY SLAM TEXTE UND VIDEOS VON 2015-2017

Frank Klötgen: Die Symphonie von der Guten Saite

Die Symphonie von der Guten Saite (gekürzte Slamversion)

Satz 1: Des Streichers Stolz

Wenn ich mein streichzartes Bögelchen führ'
Und mehr wie behauchend die Saiten berühr',
So lausche ich flauschig in Rausch mich und spür':
Dies ist wohl des Daseins vortrefflichste Kür.
Fast kommt der aus Klängen gewobene Flor
Mir nicht wie von Menschen Geschaffenes vor -
Eh'r wie hehrste Sphären verehrender Äther,
Der and'ren verwehrt bleibt - doch mehr dazu später.
Noch soll keine Unbill mein Hinschwelgen trüben,
Noch zeichnen wir Streicher alleine die Welt
Auf Saiten, der'n Schwingung'n vom Üben und Üben
Gesotten sind, dass es den Kosmos erhellt,
Wenn wir unisono die Korpora melken -
Von Genius, Mühen und Sorgfalt genährt -
Und ein Wohlklang erblüht aus dem ewigen Welken,
Der uns Audienz bei den Göttern gewährt
Diese Eintracht im vielstimmig gleitenden Singen
Wenn hingegebungsvoll all die Streichbögen schwingen
Wie im Spätsommerabendwind wiegende Gräser
Und dann ertönt Satz 2: Der Einsatz der Bläser

Wie ein Wettereinbruch, der da stürmt ohne Charme!
Plötzlich herrscht Benjamin-Blümchen-Alarm:
Torööö! Oh, nö - ihr ignoranten,
Groben Bierzeltmusikanten
Von Militär und Ufftata
Mit Froschgesang und Jagd-Trara!
Ihr aufgeblas'nen Backenspacken
Versabbert Eure Lautattacken
Mit rohrblätterröhrenden Dröhnen und Tröten
Wie das quäkende Stöhnen verendender Kröten!
Und mundstückzerdrückt quält sich Luft zum Gelärme,
Das auch noch den wohligsten Wohlklang durchdringt
Und unnuanciert wie vom Blähen der Därme
Schier kakophonisch Idyllen bestinkt.
Mann, ihr versifftet bereits Mahlers Symphonien,
Tschaikowski und den Lohengrin!
Mann, haltet die Klappen - und auch die Ventile!
Ihr Bläser mögt laut sein - wir Streicher sind viele.
So folgt wohl nicht von ungefähr
Satz 3: Des Geigers Gegenwehr

Ihr Hinterbänkler habt gedacht,
Dass Ihr hier ein'n auf Lauten macht?
Wohl, Schergen vom Orchestergraben -
Wollta Ärger? Könnta haben!
So ward - im Namen des Apollo -
Trötentöter ich, jawollo,
Und pirscht' mich an - des Wohlklangs wegen -
Die röhr'nden Hirschen zu erlegen!
Vor meines Klappstuhls Schnappschafott
Verstummten Tuba und Fagott,
Oboen flog'n im hohen Bogen
(weil sie halt nicht so viel wogen),
Um ihre Trompeten beteten
Die dies Getöse säteten -
Doch alle Erben der Schalmei
Wurd'n Blechschrott oder Kleinholzbrei!
Zerbrochen die Flöten, peu-a-peu'chen,
Bestenfalls noch Piccolöchen!
Und den Bogen empor, deklamier' ich den Sieg
Vom Widerstand - und der Musik!
Doch nun macht das Ensemble, zu dem ich gehört',
So voll theatralisch auf Wir sind empört!
Gar strafend starrt mein Dirrigent,
Weil irgend'ne Flötistin flennt.
Ach, Undank ist der Welten Lohn –
Und unsanft greift zu mir auch schon
Ein Sicherheitsmann, der mir kundtut, ich würd'
Vollzugsbeamtlich abgeführt,
Bekäm' zudäm, Schockschwerenot,
Noch lebenslanges Hausverbot.
Nun, schafft dies Stück hier noch die Wende?
So hört die Coda: Happy Ende

Denn nach einer Nacht, versenkt in Sorgen,
Lese ich am nächsten Morgen
Im Schlagzeilentau des Lokaljournalismus:
"Schwerer Fall von Vandalismus"
Im Konzerthaus, da wütete, so sagt der Bericht,
Ein irr geword'ner Bösewicht.
Doch am Ende des Artikels steht - oh, Triumph ungeahnt -
Was mir zeigt, dass ich doch zurecht nicht gewichen -
Dass all die Konzerte, die im Hause geplant -
Sie würden auf unbestimmt komplett
Gestrichen.


- zweites Gedicht/Video 2015-2017



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